Bewerbung schreiben schwer gemacht

Ich habe Anfang des Jahres meinen Job verloren und war das erste Mal in meinem Leben in der Situation, dass ich mehr als nur eine Bewerbung schreiben musste. Dementsprechend wusste ich nicht, was auf mich zukommt. Nachdem mir dann eine Firma, bei der ich mich beworben hatte, eine PDF mitschicke, auf der sie ihren Bewerbungsprozess grafisch darstellten, brach ich in Tränen aus. Der Bewerbungsprozess umfasst bei dieser Firma locker flockige sechs Schritte bis zur finalen Entscheidung. 

Wenn das für dich jetzt nichts Neues ist und du dir denkst: “Was hat die sich so?” , dann freue ich mich für dich (glaube ich jedenfalls). Wenn du jetzt auch Schlucken musstest und das bei dir leichte Schnappatmung ausgelöst hat: Herzlich Willkommen in meiner Welt. 

7 Bewerbungen, 42 Phasen

“Ich habe aktuell sieben Bewerbungen parallel laufen. Wenn ich bei allen sechs Schritte durchlaufen muss – halleluja, was für eine Odyssee”, dachte ich, während ich Rotz und Wasser schluchzend vor meinem Laptop zusammen schrumpfte. 

Natürlich war mir bewusst, dass die Wahrscheinlichkeit, bei allen sieben Unternehmen in die letzte Phase zu kommen, sehr gering ist. Trotzdem war ich im ersten Moment komplett überfordert.

“Ich musste nach dieser Mail erst einmal tief, tief durchatmen, habe eine Freundin angerufen und direkt nochmal eine Runde weiter geheult.”

Das hat in erster Linie etwas mit meinem Erwartungsdruck an mich selbst zu tun. Ich will immer, zu jederzeit, zu 100 Prozent überzeugen können, alles andere ist für mich Versagen und inakzeptabel. Dass das nicht per se an meiner Person liegt und schon gar nichts mit mir als privater Mensch zu tun hat, wenn ich eine Stelle nicht bekomme, vergesse ich dabei leider zu oft. (Okay kann natürlich sein, dass einer Person meinen Instagram-Feed und die Dinge, die ich dort poste absolut grauenvoll findet, dann hat es schon ein bisschen was mit mir als privater Mensch zu tun, aber you know what i mean.)

Gepaart mit den sechs Monaten, die ich ohne konkrete Perspektive zuhause saß, der Energie und Kreativität, die in meine Bewerbungen geflossen sind und dem Lagerkoller, den ich hatte, war das der Tropfen zu viel für mich.

Meine ganze Energie ist in die Bewerbungen geflossen

Ich musste nach dieser Mail erst mal tief, tief durchatmen, habe Daria angerufen und direkt noch einmal eine Runde weiter geheult. Erstens hat das gut getan, einfach mal mein Leid rauszulassen und zweitens konnte ich mich danach wieder ein bisschen besser sortieren. (Weinen ist unglaublich befreiend, wir sollten alle mehr weinen!)

“Zwischenzeitlich kam ich mir schon vor, wie eine Stalkerin.” 

Was dieses PDF aber außerdem bei mir ausgelöst hat, war Wut. Wut darüber, dass ich meine Kreativität und Zeit in Bewerbungen stecke für Unternehmen, die mir dann mit einer unpersönlichen oder auch persönlichen Mail, eigentlich ganz egal, absagen – und das, obwohl ich 150% motiviert war und einfach nur wieder arbeiten wollte.

Dafür habe ich mich jetzt stundenlang hingesetzt und über das Unternehmen recherchiert, mir schon komplette Strategien überlegt, was ich alles ändern könnte und versucht, so viel wie möglich über die Hintergründe meiner Ansprechpartner*innen herauszufinden? Zwischenzeitlich kam ich mir schon vor, wie eine Stalkerin. 

Schreibtisch der mit zerknüllten Post-Its übersäht ist. Dazwischen steht eine weiße Tasse, mit orangfarbener Sprechblase in der Bongu steht. Verschwommen im Hintergrund steht ein aufgeklappter Laptop.
Photo: Ferenc Horvath

Diese Absagen haben in in viele meiner Kerben geschlagen, was auch der Grund für meine Wut war. “Ich bin nicht gut genug”, “Ich brauche Sicherheit” , “Ich will mich durch meine Arbeit verwirklichen”, alles Credo’s, die ich verinnerlicht habe und mühsam versuche, von mir abzustreifen. 

Außerdem bekam ich langsam Torschlusspanik.* Mein Arbeitslosengeld hätte man mir zwar noch bis Februar bezahlt, aber wie ich in den letzten sechs Monaten festgestellt habe, geht diese Zeit schnell rum. Vor allem, wenn man mal eben sechs Bewerbungsschritte durchlaufen muss. 

*(Funfact: Ich dachte bis vor Kurzem, dass es TorSCHUSSpanik heißt.)

“Was aber mit mir als Mensch zu tun hat, ist, wie ich damit umgehe und diese Rückschläge wegstecke”

Das alles war scheiße. Richtig, richtig scheiße, aber es hat mir auch geholfen. Denn nach der Traurigkeit und Wut kam Erkenntnis. Ich will diese Erfahrungen aktiv für mich nutzen, um genau diese Kerben zu verkleinern. Denn wie ich oben bereits geschrieben habe: Es hat letzten Endes nicht viel mit mir als Mensch zu tun, wenn ich nicht eingestellt werde. 

Ich lerne, mit solchen Rückschlägen umzugehen

Was aber mit mir als Mensch zu tun hat, ist, wie ich damit umgehe und diese Rückschläge wegstecke. Auch wenn es natürlich eine Ausnahmesituation war und mir so hoffentlich nicht nochmal so schnell passiert. Ich werde weiterhin Energie und Zeit in Bewerbungen stecken, einfach weil das mein Anspruch an mich selbst ist und wahrscheinlich werde ich mich auch weiterhin viel zu früh freuen und mir schon vorstellen, wie es wäre, bei der Firma zu arbeiten, für die ich mich bewerbe. Aber so lerne ich auch, meinen Wert zu schätzen, besser mit Rückschlägen umzugehen und mich dann wirklich richtig doll zu freuen, wenn es endlich klappt!

Ach und: Ich freue mich, wenn du mir in den Kommentaren über deine Erfahrungen mit dem Thema Bewerbungen und Bewerbungsprozess erzählst und wie du damit umgehst!

Titelbild: Carl Heyerdahl

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1 Gedanke zu „Bewerbung schreiben schwer gemacht“

  1. So, wie du klingst, gehst du die Dinge ziemlich tough und straight an. Das ist erstmal gut. Kenne ich auch von mir. Aber wie es auch bei dir anklingt, bin ich der Meinung: Bewerben ist nicht alles im Leben. Man gerät aus meiner Erfahrung schnell in eine Endlos-Schleife voller „Hoffnung“ und „Enttäuschung“ und wegen des ständigen Self-Promotings vergisst man dabei entweder, wer man wirklich ist oder wird frustriert. Ja, „Bewerbungen sind scheiße“ – ekliger und aufwändiger als 10 Steuererklärungen zusammen (da lohnt es sich wenigstens).

    Und das mit dem „Persönlichnehmen“ sagt sich sehr einfach von Leuten, die sich darüber keine Sorgen machen müssen: Von Jobprofilern oder Personalern. Das bleibt doch gar nicht aus, wenn man sich über Wochen oder Monate jeden Tag versucht, „in Szene zu setzen“ und „zu überzeugen“. An wessen Ego regelmäßige Absagen oder die sinnfreien Psycho-Fragen in den Vorstellungsrunden dann nicht nagen, den möchte ich erst mal Kennenlernen. Das ist unrealistisch.

    Daher habe ich für mich beschlossen, ich lass diese Zeitverschwendung erstmal und mache mein eigenes Ding. Am Ende geht es ja nur darum, ob du deine Miete zahlen kannst – woher das Geld kommt, ist erstmal egal. Es muss ja nicht immer der Super-Duper-Konzern sein, in dem man eh nur als kleines Rädchen im Getriebe ist. Da kann man gleich zur Bundeswehr und gehen – am Ende ist es nichts anderes: Gehorsam und Unterordnung, nur subtiler. Zeigt man heute durch Schleimen und sich Anbiedern. Man merkt leider oft erst hinterher, was falsch gelaufen ist, wenn man jeden Tag „k…“ zur Arbeit fährt.

    Ich bin auch davon überzeugt, dass es unterschiedliche Menschen gibt. Für mich persönlich ist das Angestelltenverhältnis nichts. Dafür nehme ich lieber die größere Unsicherheit in Kauf. Ich wünsche dir alles Gute und viel Erfolg!

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