Für mich stand immer fest, dass ich nach dem Abitur studieren möchte. Ich konnte mich zu 100% mit der Vorstellung der hippen Studentin, die tagsüber auf der Campuswiese Bücher wälzt und abends billigen Wein zu philosophischen Gesprächen in Studierendenkneipen genießt, identifizieren. Dass mich am Ende eine klassische Ausbildung zu meinem Traumberuf führen würde, hätte ich mir in meiner Schulzeit nicht vorstellen können.
Während meine Freund*innen also aufbrachen, um die Welt zu erkunden und erstmal Abstand vom Lernen haben wollten, bewarb ich mich auf unterschiedlichste Studiengänge im literarischen und sprachwissenschaftlichen Bereich. Denn der Deutschunterricht in der Schule fiel mir meist ziemlich leicht und hat mir Spaß gemacht. Deshalb konnte ich mir gut vorstellen, noch etwas tiefer in die Materie einzusteigen.
Glückliches Studentinnenleben
Einen genauen Plan, was ich damit beruflich anfangen wollte, hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Aber ich dachte mir, dass mir schon etwas einfallen würde, wenn ich im Studium erstmal Fuß gefasst hatte.
Dementsprechend freute ich mich riesig über die Zusage der Universität Potsdam: Ab dem Wintersemester würde ich nun also Germanistik im Hauptfach mit dem Nebenfach Linguistik studieren. Besonders schön fand ich es, in einer anderen Stadt zu studieren, ohne gleich in die andere Stadt ziehen zu müssen und meinem alten Leben komplett den Rücken zu kehren. Denn ich bin ein sehr verwurzelter Mensch, der alleine an neuen Orten schnell unglücklich wird.
So blieb ich also noch ein knappes Jahr in meinem Elternhaus wohnen, bis sich eine gute Gelegenheit ergab, auszuziehen. Der Übergang ins „Erwachsenenleben“ ging bei mir sehr seicht von statten, was mir aber auch ganz gut tat. Denn mit meiner Mutter und ihrem Lebensgefährten hatte ich schon immer ein eher freundschaftliches Verhältnis, so dass ich nicht das Gefühl hatte, unbedingt ausziehen zu müssen, um selbstständig zu sein.
Trotzdem war es dann auch sehr schön, endlich mit meinem Freund in unsere erste gemeinsame Wohnung zu ziehen.
Im Studium habe ich mich auch schnell wohl gefühlt. Die Inhalte konnte ich mir weitestgehend selbst zusammenstellen, inhaltlich bin ich immer gut mitgekommen und Freund*innen, mit denen man gut feiern konnte, habe ich auch schnell gefunden.
Allerdings konnte ich mir im dritten Semester immer noch nicht vorstellen, was genau ich denn jetzt beruflich nach dem Studium machen wollte. In meinen Kursen saßen viele Lehramtsstudierende, für die das Studium primär den Zweck hatte, damit später Lehrer*in zu werden. Und wir „reinen“ Germanistik- und Linguistikstudent*innen haben während des Studiums eher wenig Input bekommen, was man beruflich daraus machen könnte.
Der Schlüsselmoment: eine dicke Grippe
So habe ich die Entscheidung immer weiter vor mir hergeschoben, was ich denn nach dem Bachelor machen möchte – bis ich im 4. Semester mit einer ziemlich heftigen Grippe flach lag.
In den damaligen Fieberträumen wurde mir schlagartig klar, dass ich später eigentlich Grafikdesignerin sein möchte. Und als ich dann rückblickend an meine Bewerbungsphase dachte, fiel mir wieder ein, dass der Studiengang der Kommunikationsdesignerin mich mit Abstand am meisten angesprochen hatte. Allerdings war das Bewerbungsverfahren viel komplexer, als es bei den rein geisteswissenschaftliche Studiengängen der Fall war, weshalb ich mich mit meinen frischen 18 Jahren da einfach nicht rangetraut hatte. Wahrscheinlich wäre direkt nach dem Abitur auch nichts daraus geworden.
Verwirklichung der Idee
Jetzt war ich also schon etwas weiter in meiner Zukunftsplanung und stand trotzdem vor einem Dilemma: Durch das Germanistikstudium hatte ich meinen Anspruch auf BAföG schon ausgeschöpft und konnte nicht ohne Weiteres ein neues Studium auf Staatskosten beginnen. Einen Studienkredit wollte ich nicht aufnehmen und neben dem Studium so viel zu arbeiten, dass ich meinen Lebensunterhalt erwirtschaften konnte, habe ich mir nicht zugetraut.
Aber zum Glück gibt es noch andere Wege, einen Beruf zu erlernen, z.B. ganz klassisch: Die Berufsausbildung mit einem IHK-Abschluss. Nach dem Prinzip zwei Wochen arbeiten und im Betrieb lernen und eine Woche Theorie in der Berufsschule büffeln, kann man nicht nur gerade so viel Geld verdienen, dass es zum Leben reicht, sondern lernt gleichzeitig von erfahrenen Berufstätigen, worauf es wirklich im Arbeitsalltag ankommt.
Also bewarb ich mich nach Abschluss meines Studiums – ich war schon so weit gekommen und wollte das nicht einfach abbrechen – bei vielen Firmen auf den Ausbildungsberuf Mediengestalterin Digital und Print mit der Fachrichtung Gestaltung und Technik und landete bei einer größeren Agentur, die mich im Schwerpunkt Print ausbildete. Im Nachhinein wäre wahrscheinlich der Schwerpunkt Digital für mich sinnvoller gewesen, aber das konnte ich damals noch nicht wissen.
Die Ausbildung hat mich sehr viel mehr gefordert, als es das Studium getan hat. Denn in der Ausbildung werden dir alle Strukturen vorgegeben, während du dir im Studium deine Struktur selbst aufbauen kannst. Und während manche besser damit klar kommen, wenn die Struktur von außen vorgegeben wird, blockiert mich das eher, da ich mich lieber selbst organisiere.
Naja und dass die Berufsschule in Wittenau nach dem Charlottenburger Gymnasium und der Potsdamer Uni auch ein soziales Experiment wird, das dachte ich mir schon zu Beginn der Ausbildung. Aber wir hatten sehr engagierter Lehrer*innen und haben viel nach dem SOL-System (selbstorganisiertes Lernen, ugs. auch „Schüler ohne Lehrer“) gelernt, wodurch die Schulwochen manchmal sogar Spaß gemacht haben.
Abschluss und Einstieg in den Berufsalltag
Wirklich, wirklich hardcore war die Abschlussprüfung. Denn man musste in der schriftlichen Prüfung an einem Tag das gesamte Wissen der Ausbildung auf Papier prügeln. Die Vorbereitung war dementsprechend intensiv und ich war sehr froh, dass ich mit einer ebenso engagierten Auszubildenden aus meinem Betrieb durch diese Zeit gekommen bin.
Am Ende hatten wir beide einen sehr guten Abschluss in der Tasche und mussten uns auf Jobsuche begeben, da aufgrund von Umstrukturierungen in der Firma zu diesem Zeitpunkt keine Auszubildenden übernommen wurden.
Ausgestattet mit einem guten Bachelor und einer sehr gut abgeschlossenen Ausbildung ging es für mich also das erste Mal auf den Arbeitsmarkt.
Zum Glück habe ich viel Hilfe von meinen Kolleg*innen bekommen: Für Bewerbungsgespräche konnte ich mich freistellen lassen und auch über meine Bewerbung haben ein paar Kolleg*innen drüber geguckt und mir Tipps gegeben.
Studium vs. Ausbildung
Die häufigste Frage in den Gesprächen, zu denen ich eingeladen wurde, war natürlich: „Warum haben Sie nach dem Studium noch eine Ausbildung gemacht?“ Es schwang immer mit, dass eine Ausbildung weniger Wert sei, als ein Studium. Ich muss zugeben, dass ich vor der Ausbildung auch dachte, dass es ja nicht so schwer werden kann, ich hatte schließlich schon ein abgeschlossenes Studium in der Tasche.
Allerdings habe ich in meiner Ausbildungszeit gelernt, dass eine Ausbildung mindestens genauso anspruchsvoll sein kann, wie ein Studium. Und eine Ausbildung ist vor allem für Menschen sinnvoll, die rein theoretisch gelerntes nicht so gut behalten und anwenden können. Das meiste, was ich in dieser Zeit gelernt habe, habe ich von meinen Kolleg*innen und meinem Ausbilder im Betrieb gelernt. So detailliert und gut hätte ich das Handwerk der Grafikdesignerin in keinem Studium der Welt gelernt.
Und deshalb finde ich es sehr unfair und schade, dass Menschen, die „nur“ eine Ausbildung absolviert haben, grundsätzlich schlechter bezahlt werden und beruflich oft ein geringeres Ansehen haben, als Menschen, die studiert haben. Denn heutzutage kann theoretisch jede*r studieren und die Ausbildung verliert leider immer mehr an Wert. Dabei ist es meiner Meinung nach für viele Menschen die bessere Art, einen konkreten Beruf zu erlernen, da Theorie und Praxis sinnvoll miteinander verbunden werden.
Wie denkst du über das Verhältnis von Ausbildung zu Studium? Deine Meinung zu diesem Thema würde mich sehr interessieren.
Titelbild: Photo by Markus Spiske on Unsplash
Liebe Daria,
Super schöner Beitrag!
Ich denke schon, dass die meist höhere Bezahlung in vielen Studiengängen gerechtfertigt ist. Dennoch bin ich absolut deiner Meinung, dass es keinen Unterschied in der Wertigkeit (in dem Zusammenhang irgendwie ein echt schlimmes Wort) zwischen Studium und Ausbildung geben sollte. Jede Form von Ausbildung und anschließenden Beruf ist gleichwertig und wichtig (nicht zwangsläufig gleich wichtig) für die Gesellschaft.
Viele Grüße,
Gianna
Ja, dass einige Studiengänge besser bezahlt sind, als einige Ausbildungen, mag manchmal gerechtfertigt sein. Allerdings geht es hier vor allem um Studium und Ausbildung, die einen gleichwertigen Beruf nach sich ziehen. Da zieht man mit einer Ausbildung immer den Kürzeren.
Ausbildungen können natürlich auch in ihrer Qualität sehr stark variieren, das habe ich selbst in der Berufsschule mitbekommen. Während die einen nicht viel mehr machen durften, als Kaffee zu kochen und ab und zu einen Flyer nachzugestalten, wurde ich zum Beispiel gleich von Anfang an in reale und komplexe Projekte mit einbezogen und habe neben der Nutzung der Werkzeuge auch viel Designtheorie, aber auch Projektmanagement mitgelernt. Hier wäre eine viel stärkere Kontrolle der Ausbildungsbetriebe wichtig, um einen gewissen Qualitätsstandard zu etablieren.
Und noch ein Gedanke zur Wertigkeit: Im Kapitalismus sind gesellschaftlicher Wert und Bezahlung untrennbar miteinander verbunden. Schlechtere Bezahlung führt also automatisch zu geringerem Ansehen in der Gesellschaft und umgekehrt. Und auf dieser Ebene ist das Verhältnis der Berufe bei uns (wieder Kapitalismus, yay) so sehr verschoben, dass profitorientierte Berufe, also der klassische Manager bei einer großen Consulting-Firma, wichtiger für die kapitalistische Gesellschaft sind, als unsere systemrelevanten Berufe. Denn erste treiben das BIP in die Höhe, letztere nicht.
Und das finde ich doof. 😉