Selbstbestimmung im Bett: Egal ob Seidennachthemd oder Jogginghose

Die Frage meiner Schlafkleidung hat mich sehr lange Zeit beschäftigt – was Schlafkleidung mit dem Patriarchat zu tun haben könnte und warum ich absichtlich eine Strumpfhose für die erste Übernachtung bei meinem Freund gewählt habe, habe ich mal aufgeschrieben.

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Die Wahl der richtigen Schlafkleidung

Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie aufgeregt ich war, als das allererste Mal Übernachten bei meinem ersten Freund anstand. Damals war ich 15 und wie wahrscheinlich die meisten jungen Menschen in dem Alter, noch recht unsicher im Umgang mit einer romantischen Beziehung – vor allem aber war ich unsicher mit meinem Körper.

Zuhause hatte ich meine gängige Schlafkleidung – ein Mix aus Überresten von Pyjamas, die mir meine Mutter bei Tchibo oder Ernsting’s Family gekauft hatte und T-Shirts, die ich in der Öffentlichkeit nicht mehr anziehen würde. Im Sommer kurze Stoffhosen, im Winter lange. Das ein oder andere Loch und Flecken gab es selbstverständlich auch.

Attraktivität über Komfort bei Schlafkleidung?

Während ich also meine Tasche für die Übernachtung packte und ich vor der Frage stand, welche Schlafkleidung ich denn jetzt einpacke, brach Nervosität aus. “Ach du scheiße. Das ist doch alles viel zu hässlich”, war einer der ersten Gedanken. Dicht gefolgt von “Ich muss doch was schönes mitnehmen, sonst bin ich nicht attraktiv genug.” 

Mein Freund und ich waren zu diesem Zeitpunkt bereits einen Monat ein Paar und es gab absolut keine Anzeichen dafür, dass er mich wegen der Wahl falscher Schlafkleidung plötzlich abservieren würde.

Ich gab der Nervosität trotzdem nach und habe bestimmt 30-40 Minuten jede erdenkliche Kombination an Schlafsachen ausprobiert, die mein Kleiderschrank so zu bieten hatte. Am Ende war ich der Überzeugung, ich hätte die beste Wahl gefunden. 

Ein Oversize T-Shirt (okay, fair) und eine Strumpfhose. Eine Strumpfhose…

Also lag ich da im Bett, in einer Nacht, die eine der schönsten hätte sein und die Strumpfhose zwickt und ich fühle mich eingeengt. 

Ich erinnere mich noch SO genau daran, wie unfassbar unbequem es war, darin zu schlafen. Aber ich wollte um jeden Preis vermeiden, dass er meine nackten Beine sieht. Denn damals war ich der Überzeugung, dass meine Beine viel zu dick und hässlich sind, um sie jemandem nackt zu präsentieren – oh du wunderbares Patriarchat.

Also lag ich da im Bett, in einer Nacht, die eine der schönsten hätte sein können (nein, wir hatten keinen Sex) und es auch in Teilen war – und die Strumpfhose zwickt und ich fühle mich eingeengt. 

Wie bescheuert. Und warum? Weil ich dachte, dass die Wahl meiner Schlafkleidung entscheidend dafür sein könnte, wie mein Freund mich wahrnimmt. Dass ich nicht hübsch, sexy oder was auch immer genug bin, wenn ich mit meinem Pyjama zum Übernachten komme, sondern dafür eigentlich hätte nochmal shoppen gehen müssen, um mir zumindest ein Seidennachthemd zu kaufen.

Scheiß mal auf Male Gaze

Und dabei möchte ich nicht sagen, dass Seidennachthemden keine Option gegenüber der Jogginghose und Shirt sind. Es geht vielmehr um den Druck, der mit dieser Frage einhergeht. Weiblich gelesene Personen werden ab frühester Kindheit dazu ermutigt, ihre äußere Erscheinung zu optimieren, um den gesellschaftlichen Normen zu entsprechen.

Es ist nicht wichtig, WAS du trägst, sondern, dass DU dich darin wohlfühlst.

Frauen in Seidennachthemden sind sexy, Frauen in Jogginghosen lodderig oder männlich. Dieses sehr starke Bild hat sich ja glücklicherweise gewandelt. Aber als ich Teeny war, gab es scharfe Aussagen von Karl Lagerfeld zum Thema Jogginghosen und die haben mich geprägt.

Ganz ehrlich, ich wünschte ich könnte zu meinem jüngeren Ich reisen, es in den Arm nehmen und sagen: “Es ist nicht wichtig, WAS du trägst, sondern, dass DU dich darin wohlfühlst”. Denn dann sind wir alle am schönsten, immer. Die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Schlafkleidung kann also als einfacher Akt erscheinen, doch am Ende trägt auch diese Wahl aktiv zur Selbstbestimmung und der Befreiung von gesellschaftlichem Druck und patriarchalen Vorstellungen bei.

Ich habe mittlerweile beides zuhause. Zu der ein oder anderen alten Jogginghose haben sich auch ein paar sehr schicke und deshalb nicht weniger bequeme Pieces wie von Hunkemöller gesellt.

Denn ich trage nichts mehr, was unbequem ist. Vor allem nicht zum Schlafen, denn das ist ja eine Zeit, in der wir uns erholen sollten!

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